Mittwoch, 7. März 2012

Mein Oma-Blog


Was ist Besonderes an der heutigen Oma? Oder was unterscheidet sie von der Oma vor 40 oder 50 Jahren? Wie sind wir Omas heute? Und wann wird man endlich Oma?

Eindeutig: Omas sind heute sozusagen modern, haben eben Zeitgeschmack, kleiden sich sehr individuell, tragen verrückte Brillen, stylen und färben sich die Haare in verschiedenen Nuancen, fahren Auto und Fahrrad, belegen Kunstkurse, legen Wert auf ihr Äußeres, stehen manchmal noch voll im Berufsleben, sehen ihre Enkel je nach Entfernung oft oder selten, haben einen Hund, einen Garten, halten ihren Ehemann auf Trapp, sind meistens verheiratet seit 25 Jahren und zu Beginn des Omaseins um die 50 Jahre jung. Sie wohnen gleich nebenan, schwatzen mit uns auf den Hof oder feiern mit uns unsere und ihre Jubiläen, treffen sich in Selbsthilfegruppen oder mit Freundinnen. Kümmern sich um die Uroma. Krankheiten haben sie auch, die zwar ernst genommen werden, aber nicht der Lebens-Mittelpunkt sind. Wir sind nicht mehr ganz jung, aber alt möchten wir uns noch nicht bezeichnen, auch wenn diverse Fältchen Gesicht und Dekolleté zieren. Wir pflegen und cremen fleißig, treiben Sport oder fühlen uns zu sanften Bewegungsübungen aus Fernost hingezogen.
Denn : Seniorinnen werden wir erst viel viel später...

Ja, wir unterscheiden uns von den Omas von früher...Und trotzdem denke ich oft und gern an meine Oma  zurück. Ich liebte sie sehr. Sie war umgeben von dem damaligen Zeitgeist. Es gab noch keine Zentral-Heizung, nur einen Kachelofen im Wohnzimmer der Zwei-Zimmer-Wohnung, einen Beistellherd in der Küche und im kleinen schmalen Bad wurde Samstag der Badeofen angefeuert, um eben am Samstag zu baden. Ein tolles Ritual! Winters warm eingekuschelt in Schlafanzug und Bademantel noch lange fernsehen und naschen. Abends gab es oft eine sehr einfache Knoblauchsuppe, die ausnahmsweise dann mein Opa zubereitete oder leckere Fettbrote. Sämtliche Suppen aß man aus Schüsseln, Teller waren einfach zu klein für diese Köstlichkeiten. Ich kenne meine Oma mit Schürze zu Hause, den Haushalt schmeißend, mit Einkaufsbeutel zur Kaufhalle gleich über die Straße unterwegs, sich immer um die Familie kümmernd, graue lockige Haare, redsam mit den Nachbarn (ein bischen Klatsch muß sein!), lustig, quirlig und immer für uns Enkel da. Sie war aber auch in der Lage durchaus ernst auftreten, ihre Meinung kundzutun und durchzusetzen. Sie konnte super kochen und backen, nähen, stricken. Einige gute Rezepte für Kuchen und Gerichte habe ich bewahrt und freue mich, wenn ich genau den Geschmack auch treffe, den ich so in Erinnerung habe, wie polnische Sauerkrautsuppe, Gräupchensuppe, grüne Bohnensuppe, Klops mit Saure-Gurken-Sosse oder die sogenannte "Schwarze Torte" mit einer leckeren Kaffee-Schoko-Creme und mit Marmelade gefüllt - ein Leckerbissen  und eine absolute Kalorien-Bombe (mehr als ein Stück ging nicht!). Meine eigenen Kinder sind auch schon ganz begierig nach solchen Erbschaften und fragen mich dann schon ordentlich nach allen Kleinigkeiten aus.
Überhaupt sind Geschmack und Gerüche für mich ein wahrer Schatz meines Lebens. Sie verbinden mich sofort mit Erlebnissen, Begebenheiten aus meiner Vergangenheit. Ich kann sie eindeutig identifizieren und zuordnen. Ich fühle mich sofort wieder wie damals -  irgendwann in meiner Kindheit oder Jugend. Das Nachspüren ist einfach nur gut und bringt so Ruhe und Zufriedenheit in meinen manchmal stressigen Alltag.

Ja, es ist schön, alles so zu empfinden, jetzt da ich selbst Oma bin. Fragt sich noch, wie mein Enkel mich mal so sieht in 40 oder 50 Jahren? Das ist schwer zusagen, aber dafür schreibe ich ja eigentlich auch alles so, wie hier und heute, auf - einfach für später...

Mich fragte dann auch mal jemand, wann man denn heute so Oma wird - rein vom Lebenszeitraum her...
Sehr kniffelig und differenziert...zu beantworten. Hängt ja auch von den eigenen Kindern ab.
Bei mir waren das so fünf Jahre nachdem ich mir einen kleinen Hund zugelegt hatte...

Idee und Text by GerdtrudWalter